Fruchtig ist gut. Sauer ist gut. Aber letzteres nicht in Zusammenhang mit Kaffee. Ab und zu ein fruchtiger Kaffee, das lieb ich mir. Sauer allerdings: niemals!
Was genau ist Fruchtigkeit beim Kaffee?
Eine köstliche Fruchtigkeit entsteht beim Kaffee durch mehrere Faktoren wie z. B. Anbaugebiete, Ernte-Aufbereitung etc. Hauptsächlich sind aber zwei Dinge ausschlaggebend: die Bohne und die Länge der Röstung.
Bei der sogenannten "nördlichen fruchtigen" Röstung werden die Bohnen mit etwas weniger Temperatur und weniger lange im Trommelröster geröstet als für traditionellen Filter-Kaffee oder etwa für italienischen Espresso. Grundsätzlich ist der Röstvorgang für alle gleich: der Kaffee wird bei konstanter Temperaturentwicklung langsam in der Trommel geröstet bis der gewünschte Röstgrad erreicht ist:
hell, bei ca. 218°, für einen eher säuerlichen und wenig bitteren Geschmack,
dann immer dunkler (bis zu 225°C) für Kaffees mit bittererem Geschmack und niedrigem Säuregehalt - sog. süditalienische Flavours.
Für fruchtige Kaffeeröstungen empfiehlt es sich, reine Arabica Kaffees zu verwenden. Robusta-Bohnen sind für fruchtige Röstungen kaum geeignet. Dabei bringen hochwertige Arabica-Blends (also einzeln geröstete Bohnen, die später nach dem Röstprozess vermischt werden) oft genauso gut schmeckenden Kaffee in die Tasse wie Single Origins. Das ist allerdings dann das Geheimnis eines guten Rösters ;).
Fruchtige Röstung French-Roast (sehr dunkel)
Der Geschmack richtet sich nach dem Anbaugebiet, dem Erntejahr und weiteren Faktoren. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn der Kaffee schließlich nach Orange oder Zitrone schmeckt. Auch sind "Ausflüge" ins "pfeffrige" oder Geruch nach "Leder" angesagt. Viele “3rd Wave Coffee roasters”, oftmals kleinere Privatröstereien aus den "nördlicheren" Regionen wie z. B. aus Österreich, Deutschland, Amsterdam, Dänemark, Skandinavien und Nordamerika, unterstützen diese Entwicklung und rösten in diese heller geröstete Richtung.
Die helle Röstung ist nicht jedermanns Geschmack!
Alteingesessene Kaffeetrinker können sich häufig mit dem etwas fruchtigeren Geschmack nicht anfreunden. Gusto und Geschmäcker sind natürlich unterschiedlich - das steht jedem frei. Aber auch jeder, der einen klassischen Kaffee erwartet, wird von der fruchtigen Richtung überrascht sein und sie zuerst als "sauer" einstufen. Ein Vergleich mit Wein ist hier passend. Man kann - ähnlich wie beim Weintrinken - durch viel Probieren und Kosten seinen Geschmack in diese fruchtige Richtungen ausbauen.
Bekanntlich lässt sich aber über Geschmack nicht streiten: wie bei anderen Produkten sind auch beim Kaffee die persönlichen Vorlieben ausschlaggebend.
Ab wann gilt Kaffee als sauer?
Das ist DIE Frage!
In Österreich lässt sich meiner Erfahrung nach beim Kaffeekonsum zwischen fruchtig und sauer leider oft recht schwer die Grenze ziehen. Obwohl sich das Netzwerk der versierten und erfahrenen “3rd Wave Coffee roasters” den Trend hin zu den fruchtigen Röstungen im nördlichen Stil stets erweitert, so kann man österreichweit nach wie vor nicht mit einer guten Kaffee-Garantie rechnen (das gilt leider auch noch für den traditionellen Kaffee/Espresso!).
Es gibt sie in Österreich, diese Highlight-Hot-Spots die man ansteuern kann, wenn man ein perfektes 3rd-Wave-Kaffee-Erlebnis haben möchte. Leider kann man die auf 4 Händen abzählen.
Ich musste oft die Erfahrung machen, dass sich als fruchtig zubereiteter Kaffees beinah ungenießbar sauer am Gaumen entfaltet. Es ist also nach wie vor ein schmaler Grat zwischen fruchtig und sauer. Zumindest für meinen Geschmack.
Vielleicht liegt es einfach am Röstungsprozess generell. Vielleicht liegt es aber auch am Können bzw. Aufholbedarf der österreichischen und deutschen Cafés, Caffè Bars und auch vielleicht der Röster selbst. Denn die Erfinder, "Treiber" und Könner der nördlichen Röstungen in Schweden, Australien oder sind aufgrund ihrer Erfahrung sicherlich schon ein paar Jahre voraus. Ich denke dabei an Solberg&Hansen in Schweden, Lot Sixty One Roaster’s in Amsterdam oder fiveelephant coffee in Berlin.
Auch wenn mehrere Anbieter die helle Röstung für sich entdeckt haben, hat sie sich noch nicht vollends bei uns durchgesetzt. Es handelt sich noch immer um ein Trend-Produkt, welches nur in Maßen genossen wird. Das Entdecken von Aromen steht hier im Vordergrund.
Gut ist was schmeckt
Meine Empfehlung ist: trinkt das, was Euch schmeckt!
Lasst Euch nicht Etwas aufzwingen oder einreden, nur weil es gerade "hip" ist.
Aber: Probiert stets mal was Neues aus und entwickelt Eure Geschmacksknospen weiter. Denn der Geschmack der fruchtigen Röstungen ist interessant. Und in Milch haben sie etwas schokoladiges.
In diesem Sinne: Probieren geht über Studieren! 😉
Euer Kaffeeliebhaber Patrick Schönberger, Euer Kaffeegreissler