Die PID-Kontrolle

Die Abkürzung “PID” bezieht sich nicht etwa auf den Presse-Informationsdienst ;) der Stadt Wien, sondern meint im Bereich des Kaffees etwas ganz anderes: Es handelt sich um den sogenannten "Proportional–Integral–Derivative (PID)-Controller". Also ein Steuerungselement für die Brühtemperatur des Kaffees. Die PID wird heute in hochwertigen Siebträgern verbaut. Und inzwischen gibt es sogar ein paar High-end-Vollautomaten, die mit einer PID Steuerung ausgestattet sind. PID sorgt für die exakte Steuerung der Kessel-Wassertemperaturen
(auf 1° C genau)! Diese Funktion zur individuellen Einstellung der Brühtemperatur pro Tasse/Röstung sorgt für ein intensiveres Geschmackserlebnis. 

Der Sinn der Temperaturkontrolle

Professionelles Rösten ist eine Wissenschaft für sich. Das Ziel: Der Röstvorgang soll so viel Aromen wie möglich aus der jeweiligen Rohkaffeebohnen-Sorte herausarbeiten. Das benötigt nicht nur Fachwissen, sondern auch ein gewisses Talent, um den besten Bohnen ihr besonderes Etwas zu entlocken. Ich vergleiche es gerne mit Spitzengastronomie: Du benötigst enorm viel Theorie-Wissen, um dann in der Praxis das absolut beste Ergebnis auf den Gaumen zu bringen.

Grundsätzlich gilt: Arabica Bohnen bleiben weniger lange Zeit im Trommelröster als Robusta oder Maragogype-Bohnen (Elefantenbohnen). Das führt dazu, dass es so gut wie für jeden Geschmack - dem Röst-Gott seis gedankt - eine perfekte Bohne mit perfekter Röststufe gibt.

Die PID-Kontrolle erlaubt nun mittels Temperatur-Einstellung, diesen speziellen Bohnen-Geschmack beim Brühen des Kaffees herauszuarbeiten.

Die Regel ist: Hellere Röstungen werden mit etwas niedrigeren PID-Temperaturen zubereitet (zwischen 88 und 91°C), dunklere/schokoladigere Röstungen mit etwas höheren Temperaturen (zwischen 90 und manchmal sogar 94°C). Aber wie immer gilt: Was schmeckt darf - sprich: die Temperatur-Daumenregel gibt gute Orientierung, aber natürlich kann individuell variiert werden. Denn bekanntlich sind Gusto und Geschmack so unterschiedlich wie das Universum Facetten hat.

Gleiche Bohne - unterschiedlicher Geschmack!

Die Maschinen mit PID-Steuerung schaffen es tatsächlich, dass exakt die gleiche Röstung anders schmecken kann: Ein geringes Verstellen der Temperatur betont andere Aromen der Bohne und schon schmeckt das Espresso-Ergebnis in der Tasse komplett anders. Probiert es aus: Ich kann es nur empfehlen! Man lernt, welche aromatischen Schätze in einer einzigen Röstung stecken können.

Und gleichzeitig schult bzw. erweitert man damit die Sensorik:
Trinkt man gut gerösteten Kaffee, dann arbeiten die niedrigeren Temperaturen die fruchtigen Geschmäcker der heller gerösteten Bohne heraus. Beispielsweise Beeren aller Art - von Erdbeere bis Himbeere - und auch Mandarine und Nougat ist oft dabei. Bei den dunkleren Röstungen dreht sich dann alles um Schokolade - von Nougat bis Bitterschokolade. Und natürlich Nüsse und manchmal auch rauchiges, medizinisches. Das Aroma-Rad hilft bei der Identifikation der vielen “Geschmäcker”. Wirklich spannend!

Zur Historie der PID-Steuerung in Maschinen:

Viele Jahrzehnte lang wurden Espresso-Siebträger-Maschinen mit einer Brühtemperatur ausgeliefert. Das heißt, bei der Kaffeezubereitung musste man mit dem zurechtkommen, was die Maschine bot. War sie zu kalt, dann rann der Kaffee geschmacklos aus der Brühgruppe. Wurde sie zu heiß (das kennen viele Barista und Kaffeeliebhaber, die bereits vor Jahrzehnten Ihre Lieblingsmaschine direkt aus Italien holten, weil es im deutschen Sprachraum so noch gut wie keine gab), dann ließ man halt mal das Heißwasser so lange laufen, bis eine gute (geschätzte) Brühtemperatur erreicht war. Nicht gerade nutzer- und umweltfreundlich. Summa summarum führte das auch dazu, dass der Kaffee bei der Zubereitung oft verbrannt wurde. Und das schmeckte man dann auch. Das führte unter anderem auch zur Entwicklung der gesättigten Brühgruppe. Bis dahin kannte man ausschließlich die E61 Brühgruppe. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden ;) …

Da die PID-Steuerung ein Kostenfaktor für sich ist, war sie ursprünglich meist ab Zweikreisern zu finden - sprich in höherwertigen Siebträger-Kaffeemaschinen mit zwei Wasserkreisläufen. Die dazu gebaut sind, nicht nur die Espresso- sondern auch Milchkaffees zuzubereiten. Damit sind diese ideal für Cappuccino- und Caffè Latte-LiebhaberInnen.

Da die Geschmacksunterschiede allerdings am besten im puren Espresso zur Geltung kommen, haben die Maschinenhersteller in den letzten Jahren viel in die Entwicklung von PID Steuerungen investiert. Heute findet man damit die PID-Steuerung bereits in vielen Espresso-Siebträger-Modellen. So ist die Funktion bei manchen Herstellern bereits ab Thermoblock-Maschinen enthalten. Und das ist gut so - schließlich will man gerade beim reinen schwarzen Kaffee (ohne Milch) die feinen Unterschiede der Kaffeearomen besonders intensiv schmecken.

Baristi tun es - tu es auch!

Mit der Brühtemperatur zu spielen ist nun also jedem möglich. Man muss kein Barista sein oder eine super teure Gastro-Maschine haben, um zu sehen, wie unterschiedlich Röstungen schmecken können. Es macht damit auch zu Hause Spaß, verschiedene Temperaturen ausprobieren. Denn der eigene Geschmack wird durch viele Faktoren beeinflusst: vom Essen und Trinken, von der Jahreszeit und der Tagesverfassung, der Umgebung und natürlich der individuellen Geschmackssensibilität. So kann es sein, das man an manchen Tageszeiten lieber fruchtigeren Geschmack hat und dann wieder mehr schokoladig. Und die PID Steuerung macht’s möglich: sie verleiht geschmackliche Flexibilität und eröffnet ein breites Feld der Sensorik!

Mit diesem kleinen Einblick in Maschinen-Technik wünsche ich euch noch bessere Kaffeemomente!

Euer Patrick Schönberger, euer Kaffeegreissler

Comment