Es lebe der Denkmalschutz!
Heute ein paar Worte über das schöne Ambiente in dem mein Team und ich täglich arbeiten dürfen.
Damit meine ich ausnahmsweise nicht die sensationell designten Büros, in denen ich als Kaffee-Lieferant ab und zu Gast sein darf 😉, sondern die altehrwürdige Ausstattung unseres Beans&Machines-"Verkaufsraums", der Schönbergers EspressoBar.
Greissler und Kaffeeschenke mit Flair
Als ich 2015 einen Büro- bzw. Schauraum für Kaffee-Maschinen und Kaffees suchte, gab es eine große Herausforderung: die Multifunktionalität, die der Raum erfüllen sollte. Gleichzeitig sollte er ein Shop mit Backoffice sein und am besten auch alle Voraussetzungen bieten, um für Demo-Zwecke die Kaffeespezialitäten direkt vor Ort zubereiten und kosten zu können. Diese Wunschträume treffen in typischen Geschäfts-Mietobjekten natürlich äußerst selten aufeinander 😉. Also eine Challenge - vor allem dann, wenn auch der Preis eine gewisse Rolle spielt.
Dann allerdings gab uns das Schicksal einen freundlichen Wink, wir hatten Glück: einer unserer Wiener Lieblings-Trommelröster-Lieferanten, die Rösterei Naber, informierte uns über die Möglichkeit, deren vormaliges Espresso-Café in der Wiedner Hauptstraße 40 übernehmen zu können.
Die erste Besichtigung bestätigte: Es braucht etwas Geschick um auf kleinstem Raum gleichzeitig Maschinen und Kaffees auszustellen. Und eine Erneuerung der technischen Ausstattung war nötig. ABER: Das Ambiente ein Traum. Volltreffer!
Man riecht beinah förmlich den Kaffeeduft in den Möbeln und kann sich vorstellen, wie in den 50ern bis in die späten 80er Jahre die Menschen hier her pilgerten, um dem neuen Trend der Espresso-Bar zu frönen - schnell einen Stehkaffee nehmen und gleichzeitig beste Kaffeespezialitäten aus den goldglänzenden Messingschütten individuell abgepackt erstehen.
Die Entscheidung war gefallen: das Flair hat uns von der ersten Sekunde an überzeugt. Es war klar, dass wir einen Weg finden werden, alles unter einen Hut zu bringen: Maschinen, Kaffeebohnen, Zubereitung und uns selbst. 😉
Auf diese Weise haben unsere Kunden nicht nur was fürs Auge, sondern auch gleich für den Gaumen. Man schmeckt, was man kauft!
Der Architekt - Ernst Otto Hofmann
Die Architektur des 1955 errichteten Kaffees bildet fürs Kaffeegenießen den schönsten Rahmen. Das ehemalige "Espresso" - wie solche Institutionen ab den 30er Jahren genannt wurden - ist ein Entwurf des Architekten Ernst Otto Hofmann, der das beeindruckende Interieur im Auftrag der Naber GmbH stilvoll erarbeitete und mit renommierten Handwerkern umsetzte. Das Flair steckt in vielen Details, es entsteht durch das Zusammenspiel vieler kleiner Elemente wie
dem Farbton des Holzes der europäischen Nuss
der Adolf-Loos-Einfluss der schräg angesetzten Auslage
die geschwungene Theke mit den Glas-Elementen
die imposanten Kaffeeschütten
die handgefertigten Glas-Mosaiksteine
die Spiegelwand
der eigens kreierte 3D-Schriftzug des Gründer-Firmen-Namens NABER
das Tür-Blatt mit dem 50er-Jahre-Griff-Design
die Uhr im Stil der 50er
Diese Elemente sowie der omipräsente Duft von frisch gemahlenem Kaffee fügen sich mit zahlreichen weiteren Details zu einem kleinen Gesamtkunstwerk zusammen. Besucher, die das erste Mal das Lokal betreten, werden sogleich in Staunen versetzt, denn:
So sieht das auch das Bundesdenkmalamt und wir sind froh, dass wir dieses Architektur-Juwel hüten und "bespielen" dürfen!
Der talentierte Ernst Otto Hofmann wurde 1897 in Wien als Sohn eines ursprünglich aus Böhmen stammenden Ingenieurs geboren. Nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule ging er an die Akademie der bildenden Künste. Dort studierte er zu Beginn bei Franz von Krauss - der die Meisterschule interimistisch übernommen hatte - und schloss es in weiterer Folge bei Professor Peter Behrens ab.
Ernst Hofmann
Obwohl er an der Akademie einen Schulpreis erhalten hatte, konnte er – offensichtlich aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage dieser Jahre – nur schwer beruflich Fuß fassen. Seine ersten Aufträge waren Umbauten und Einrichtungen, die er in Zusammenarbeit mit seinem Schwiegervater Otto Wytrlik durchführte.
Gemeinsam realisierten sie auch um 1930 eine größere Beamtenwohnhausanlage (Wien 5, Nikolsdorfer Gasse 3-5). Anfang der 30er Jahre erwarb Hofmann die Befugnis zum Zivilarchitekten und arbeitete vorübergehend selbständig, aus dieser Zeit sind eine Wohnhausanlage (Wien 18, Ferrogasse 16) und einige Wohnungseinrichtungen dokumentiert.
Ab 1937 arbeitete Ernst Otto Hofmann mit Adolf Hoch zusammen, der einige Jahre jünger und gleichfalls ein Behrens-Schüler war. Nach einigen Wettbewerbsbeteiligungen, konnten sie mehrere Industrieanlagen errichten.
Über die weitere Tätigkeit* Hofmanns – nachdem sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Bürogemeinschaft aufgelöst hatte – ist nichts bekannt. Da aus den frühen Nachkriegsjahren keinerlei Bauten unter seinem Namen dokumentiert sind, scheint eine Anstellung in einem größeren Baubüro wahrscheinlich. Erst Anfang der 60er Jahre sind dann wieder einige Projekte für Unternehmen sowie der Kirche nahe stehende Institutionen überliefert, die er selbständig realisierte. Ernst Otto Hofmann starb am 13.11.1989 im 92.Lebensjahr in Wien.
Naber Cafés & Espresso Hobby
Zeitgleich mit dem Café in der Wiedner Haupstraße 40 wurden noch fünf weitere Naber Filialen mit ähnlichem Design errichtet: in der Schönbrunner Straße, der Stumpergasse, der Nußdorferstraße, Lerchenfelderstraße sowie in der Wipplingerstraße. Diese Filiale ist heute noch im Familienbesitz, alle anderen wurden abgestoßen bzw. anderen Zwecken zugeführt.
ehemaliges Espresso Hobby, 1090 Wien
Auch das charmante Café Espresso Hobby in der Währingerstr. 9 entstand zu der Zeit. Leider wurde es 2017 geschliffen und ist nicht mehr erhalten. Schade drum – denn dort konnte man sich ebenso vom außergewöhnlichen Talent Hofmanns überzeugen, auf aller-kleinstem Platz für Kaffee das ideale Ambiente zu schaffen. Es scheint, als ob unser Kaffeegreissler-Laden, die einzige Espresso-Bar ist, die im Original-Zustand erhalten blieb und bleibt. Auf diese Weise hat Hofmann in Wien Espresso-Bar-Geschichte geschrieben, die bis in die Gegenwart beeindruckt.
Schönbergers: Tradition trifft Technik.
Ganz dem Ansatz "Alles.Bleibt.Besser" entsprechend, haben wir uns dann bei der Übernahme des ehemaligen Naber Espressos im Mai 2015 an diese Kaffeetradition herangetastet. Das stilvolle Äußere erhielt nebst einer liebevollen Intensiv-Reinigung auch eine profunde technische "Aufpolierung": im Hintergrund haben wir neueste Kaffee-Technik Einzug halten lassen. Leitungen wurden erneuert bzw. eingezogen, Filter eingebaut, die alten Kaffee- & Küchen-Maschinen durch neuesten Standard ersetzt. Und natürlich haben wir auch das Sortiment weiterentwickelt. Die Maschinen, das Barista-Know-How sowie die Infrastruktur erfüllen heutige Kaffeekenner-Ansprüche auf höchstem Niveau.
Unsere Kaffees bereiten wir mit Hilfe von "Hochleistungs"-Maschinen zu. Es sind laufend 2-3 Mühlen im Betrieb, damit verschiedene Kaffee gekostet werden können. Gebraut werden die Espressi-Spezialitäten auf der schönen Black Eagle von Victoria Arduino. Diese wurde für die Anforderungen professioneller Baristi designed (Weltmeisterschaften) und ermöglicht mit jeder Tasse beste Kaffeequalität. Gemeinsam mit dem schönen denkmalgeschützten Ambiente von 1955 ergibt es die perfekte Symbiose für Kaffeegenuss.
Und so bleibt mir nur zu sagen:
Mit der einmaligen Gelegenheit, die "Architektur-Perle" des ehemaligen Naber-Steh-Cafés in der Wiedner Haupstraße übernehmen zu können, erfüllt sich der von mir lang gehegte Traum der italienischen Caffè-Bar!
Ich hoffe, Ihr fühlt Euch wohl bei uns und freue mich auf Euch, denn "#LifeIsTooShortForBadCoffee!" 😉 Euer Patrick Schönberger, Euer Kaffee-Pad
* Für alle Architekturliebhaber und Kenner hier ein Überblick weiterer Werke von Ernst Otto Hofmann: