Kapitel 2/8: S – Sanieren & Soft-Opening

Autorin: Sonja Schönberger
Forstsetzung der Festschrift - hier geht’s zum 1. Teil: E wie Espresso

Die Würfel sind gefallen

Zwei Nächte schlafen wir drüber. Dann ist klar: Wir werden alles daransetzen, das Vorhaben in die Realität umzusetzen. Das Lokal ist zwar klein, aber für uns dennoch eine Herausforderung – aus mehreren Gründen:

1.    Wir sind absolute Quereinsteiger: Haben keine Ahnung vom Betrieb der Gastronomie. Wir wissen weder bei wem, noch wieviel man am besten kauft. Vom Handel wissen wir auch theoretisch mehr als praktisch. Wir haben keine Kontakte zu guten Lieferanten, keine Erfahrungen für Mengen oder Preise. In unseren bisherigen Jobs haben wir zwar Firmen und Agenturen mit diversen Wareneinkäufen beauftragt, aber vom Lebensmittelhandel, von Haltbarkeit, Gastrokalkulation etc. haben wir großen Respekt.
Mir hilft da eine Sache, die ich in meiner früheren Projektarbeit gelernt habe:

o  1. Gebot: Man geht vor wie im vielzitierten Sager „How do you eat an elephant? Cut it in pieces…“ - also: ein Schritt nach dem anderen.

2. Gebot: „Man kann so gut wie alles lernen. Ich lese mir vieles an und für Details frage ich Experten“. Wir beschließen also, der für uns großen unbekannten Materie mit Rausgehen und Fragen zu begegnen und so viel wie möglich zu erkunden und lernen.

Sehr hilfreich dabei: ein großes Netzwerk an hilfsbereiten Bekannten. Jeder weiß was und kennt jemanden. Der eine einen verlässlichen Installateur, die andere einen Lebensmittellieferanten, der dritte einen Bodenleger usw. usf. Und auch Marco steht uns mit Rat und Tat zur Seite. Das tut er bis heute. Er ist ein Kenner der Branche und teilt sein Wissen mit unfassbarer Großzügigkeit mit uns. Selbiges gilt für Peter Affenzeller – dem Gründer und Eigentümer von Suchan Kaffee. Er wird einer unserer Hauptlieferanten und unterstützt wo er kann - mit all seinem Kaffee-Sommelier- und vielem weiteren Wissen sowie Kontakten. Der Austausch mit diesen Profis macht einfach nur Spaß!

2.    Eine weitere Herausforderung ist: Das Lokal hat B-Lage. Patrick und ich waren es in unseren früheren Jobs gewohnt, Analysen zu ziehen, bevor Entscheidungen getroffen wurden. Daher setzt er sich zwei Tage vor den Laden, zählt die Passantenzahlen und wertet aus. Schnell wird klar: Unsere Vermutung stimmt. Es kommen nicht allzu viele Menschen hier vorbei. Es tröpfelt, aber es fließt nicht. Noch dazu steht direkt neben uns eine Bank-Filiale schon längere Zeit leer.
Ladenbesitzer wissen: Siedle dich – wenn geht – niemals neben einer Bank an. Denn es gibt diesen wohlbekannten psychologischen Effekt, dass Menschen, die aus der Bank kommen, offenbar im ersten Schritt ihr Geld zusammenhalten möchten und nicht in den nächsten Laden einkaufen gehen.

Wir einigen uns auf folgende Vorgehensweise: Gelingt es Patrick, die Finanzierung aufzustellen, dann schlagen wir zu. Wenn nicht, dann soll es nicht sein. Wenn JA, dann gehen wir es Schritt für Schritt an.   

Patrick läuft zur Höchstform auf und Freund Konrad hilft

Und dann passiert etwas, was ich nie für möglich gehalten hätte:
Patrick setzt sich hin und schreibt tatsächlich ein Konzept, wie er sich den Kaffeegreissler vorstellt. Da merke ich zum ersten Mal, wie ernst es ihm ist. Sechs Monate zuvor hatte er sich mit der Idee „Bürokaffee besser machen“ selbständig gemacht. Ohne Business-Plan. Erstmalig erlebe ich nun, dass er einen Plan erstellt. Wobei: Plan darf ich nicht sagen, er hasst dieses Wort 😉. Also sprechen wir von „Powerpoint“. Das Wort darf ich verwenden. Bis dahin lautete seine Devise in etwa „Wer sein Leben plant, hat keine Zeit zum Leben.“ 

Er schreibt alles Relevante zusammen: Welche Waren er anbieten will (Kaffee, ESE Pads und Maschinen), wie er die Lagerumwälzung einschätzt, welche Getränke vor Ort ausgeschenkt werden, die nötigen Investments, Öffnungszeiten, Preise etc. Rasch ist ein Business Case gerechnet. Und er trägt sogar Fotos für den Kleidungsstil der künftigen Baristas zusammen. Ich kann‘s kaum glauben. Insight: Letzteres (Kleidungsstil) wurde bis heute nicht umgesetzt – ich denke, es kommt auch nicht mehr … 😉

Die Finanzierung steht!
Von Anfang an steht Konrad, Patricks langjähriger Freund, tatkräftig zur Seite. Wir nennen ihn den „Mann der ersten Stunde“, denn ohne Konrad wär das Café sicherlich nicht so rasch in Patricks Hände übergegangen. Oder vielleicht gar nicht. Konrad spricht mit ein paar befreundeten potenziellen Investoren und schafft es tatsächlich rasch, zwei zu „gewinnen“. Der dritte im Bunde ist ein inzwischen gut befreundeter Arbeitskollege Patricks, der das Konzept ebenfalls überzeugend findet. Man einigt sich nach nur einer Woche auf ein Darlehen auf Zeit, Zinsen sowie Fruchtgenuss 😉 - einmal jährlich ausbezahlt.

Es geht ans „Eingemachte“: Viele helfende Hände – und ein paar Skeptiker

Die Zeit des Redens ist um, nun kommt die Zeit des Umsetzens. Wie gehen wir vor?
Ganz entsprechend dem Ansatz "Alles.Bleibt.Besser", nehmen wir uns bei der Übernahme im Frühling 2015 vor, uns sachte an die Kaffeetradition heranzutasten, das stilvolle Äußere liebevoll aufzupolieren, das Sortiment weiterzuentwickeln und im Hintergrund neueste Kaffee-Technik Einzug halten zu lassen. Das Ziel: Mitte Mai wollen wir eröffnen. Und in einer Probephase schauen, ob wir Gastro „können“.

Die Firma Naber ist so nett und stellt uns ihre alten Lieferanten-Kontakte zur Verfügung: Wo hat man Mehlspeisen gekauft, wer hat Getränke geliefert, wo kauft man am besten Kaffeezubehör etc.

Wir rufen alle möglichen potentiellen Lieferanten an und fragen viel. Im Netzwerk und außerhalb. Bei allen möglichen Stellen. Manche sind skeptisch. Sagen: „Naja, Infos teilen wir eigentlich nur mit Profis. An einer Koop sind wir nicht interessiert“. Man merkt rasch: Wir werden von manchen als „nicht ernst zunehmen“ und auch als Konkurrenz eingestuft.
Andere sind total offen. Sagen: „Ja super, dass ihr auch Kaffee besser machen wollt. Willkommen im Team!“ So ist beispielsweise Otto Bayer, Inhaber der sensationellen Balthasar Kaffeebar, sehr nett zu uns „absolute beginners“ und leiht uns eine Stunde lang sein Ohr für Fragen, gibt uns Tipps – von Kaffeegeschirr über Infos zur Einrichtung bis hin zu Röstgraden und Getränkezubereitung. Wir lieben ihn. Wie wahrscheinlich so gut wie jeder in der Branche.

Wir schreiben auf, was wir alles brauchen: Von Apfelsaft bis Zitronenpresse ist da alles drauf. Eine riesige Einkaufsliste. Aber zuerst brauchen wir natürlich Kaffee!

Rasch wird klar: Wir werden einen Lagerraum brauchen. Denn Kaffee aus Italien kann man meist tatsächlich nur in Paletten beziehen. Da kommt ein Hausbesorger der Wiedner Hauptstraße ins Spiel: Josef vom 46er-Haus erzählt bei einem seiner ersten Probe-Kaffees: „Bei uns im Hinterhof gibt es eine Firma, die hätten im Keller Platz – glaub ich.“ Patrick geht und fragt und schon ist dieses Problem gelöst. Er kann tatsächlich von Anke „ein paar Quadratmeter“ mieten. Mit einem – wirklich filmreifen – alten Lastenlift kommt man ins Untergeschoss. Stellt man ein paar leere Palletten übereinander, und darauf die jeweilige Kaffee-Palette, bleibt die Ware sicherlich trocken (als Sicherheitsvorkehrung - denn der Keller wird ab und zu von Hochwassern heimgesucht). Fürs erste ist das ideal! Weiter geht’s mit dem Lieferanten-„Sourcing“. Wir fahren zu Wiens bekanntestem Getränkehändler DelFabro (heute Kolarik) und ein wirklich extrem bemühter Verkäufer berät uns geduldig, da er uns gleich anmerkt, dass wir absolute Neulinge sind.

Zusätzlich recherchieren wir auch viel im Netz:

·         Wo gibt es beispielsweise Coffe2Go-Becher, die schön und gleichzeitig umweltfreundlich sind? Wer bietet Mehrwegbecher an, die man mit seinem Logo „branden“ kann?

·         Wo gibt es wirklich hochwertiges Barista-Zubehör zu leistbaren Preisen?

·         Wo kann man typische kleine italienische Backwaren beziehen, die gut schmecken - man aber nicht gleichzeitig verpflichtet ist, eine ganze Palette zu kaufen?

·         Welche italienischen Röster würden an uns verkaufen? Denn manche sind bereits an österreichische Generalimporteure gebunden und verkaufen nicht an andere.

Handwerkliche Hauruck-Aktion

Das Einzige, was uns wirklich von einer „Aufwärm“-Eröffnungsphase – später sprechen wir von „Soft Opening“ trennt, sind Installation und Elektrik. Wir brauchen beide Infrastrukturen gleich dringend, um öffnen und das erste Geld verdienen zu können. Schließlich will der Kredit zurückgezahlt werden. Und wieder ist es Konrad, der mit einem Tipp zur Seite steht: „Bei uns am Land draußen gibt es eine Firma, die beides macht. Ich frag dort mal.“

Gesagt, getan. Und die können uns tatsächlich auch rasch einen Termin geben. Sie hätten kommenden Freitag und Samstag ein Team, das sich bereit erklärt, alles zu machen. Sie kommen total zuversichtlich am Freitagmorgen. Zuerst suchen wir im Keller des Jahrhunderthauses eine ganze Weile die richtigen Wasser- sowie die Elektroleitungen, die unser Café versorgen. Damit wir nichts Falsches abdrehen oder erneuern. Es hilft uns einer der Besitzer, dem es ein Anliegen ist, dass wir öffnen und Umsatz machen können. Lange war man nicht mehr im Keller und es ist nicht gleich klar, welche Leitung wohin führt. Man sieht rasch: Es ist kein Luxus, Leitungen zu sanieren. Früher oder später wären wir mal ohne Strom oder mit einem Wasserschaden dagestanden. Wir staunen: Ein so kleines Café, und derart viel Infrastruktur ist nötig. Was tut da ein Großbetrieb? Man versteht nun besser, warum anderswo Sanierungsarbeiten oft Wochen dauern.

Rasch stellt sich aber heraus: Die Handwerker werden Überstunden machen müssen, denn die Leitungen sind teilweise verschmort, teilweise hat die Wasser-Installation tatsächlich so wenig Gefälle, dass neu verlegt werden muss. 9-to-5-Arbeit ist es nicht. Sie werden jeden Tag bis Mitternacht arbeiten. Ein Glück jedenfalls, dass sie wissen, was sie tun. Sie arbeiten zu dritt. Ohne viel Pausen und Gemurre. Sind sehr lösungsorientiert und kommen rasch voran, obwohl so viel neu zu verlegen ist. Und dennoch müssen wir am Samstagabend eine Entscheidung treffen: Sollen sie am Sonntag nochmal kommen und fertig machen (natürlich gegen Lohnzuschlag) oder sollen sie nächsten Freitag/Samstag wieder kommen? Wir würden eine Woche verlieren und unser Öffnungstermin wäre damit gefährdet. Außerdem sind sie gerade so gut eingearbeitet. Daher beschließen wir, die Mehrkosten in Kauf zu nehmen; sie sollen fertig machen. Einer muss zur nächsten Baustelle fahren. Sie sind also nur noch zu zweit. Montagmorgen, so um ca. drei Uhr früh sind sie dann tatsächlich fertig. Alles fließt so wie es soll: Strom und Wasser sind abrufbereit! Elektrobefund auch.

Viele Dinge blieben in dieser Phase aber unerledigt. Wir priorisieren die Arbeiten nach Dringlichkeit und vereinbaren mit uns selbst, dass wir für noch offene Reparaturen bzw. Sanierungsarbeiten – wie beispiels-weise ein neues WC, ein Verkaufsregal oder die Überholung der Küchenzeile und der Schank, neue Kühl-schränke etc. - künftig jährlich eine kleine „Baustelle“ machen werden. Bis dorthin sparen wir alles zusammen, um die jeweils nötigen Arbeiten dann finanzieren zu können. Gesagt getan. Diese inzwischen schon zur Tradition gewordene jährliche Baustelle reißt nicht ab – bis heute haben wir einmal pro Jahr ein größeres Projekt.

Soft-Opening - ohne Unterstützung geht gar nichts

Die Nacht vorm Soft-Opening des Kaffeegreissler-Cafés malt Freund Buffi noch die Decke des Gastraums aus. Damit das 1950er-„Gewölbe“ in frischem Glanz erstrahlt. Es braucht eiserne Muskeln, um über-Kopf die ganze Decke zu streichen. Zweimal. Gut, dass er vom Kitesurfen so durchtrainiert ist. Wir sagen DANKE, denn wir hätten es vertagt und später nachgeholt.

Ein weiterer Bekannter weiß, dass wiederum ein anderer Bekannter einen gebrauchten Gastro-Geschirrspüler in gutem Zustand abzugeben hat. Wir schlagen zu, denn es ist uns klar: Von Hand abgewaschenes Geschirr können wir nicht anbieten – das wäre zu unhygienisch. Wir finden den allerbesten Geschirrspüler-„Servicierer wo gibt“ – Christopher von Winterhalter – der uns bis heute bestens betreut. Der damalige Geschirrspüler, bei dem im Laufe der Zeit dann so gut wie jedes Ersatzteil beschafft werden muss, ist längst in die ewigen Jagdgründe gegangen. Heute reparieren wir teilweise schon wieder den neuen Nachfolger 😉

Sitzen ist nicht überbewertet 😉
Unsere allererste Bank ist ein Designer-Teil aus Papier. Nachhaltig und lustig. Aber wir merken schnell: nicht wirklich langlebig. Muss also früher oder später durch eine andere sinnige Idee ersetzt werden. Wir überlegen weiter … Ein Freund ruft an: Er sieht beim 48er-Tandler im 5. Bezirk Barstühle und gibt uns Bescheid. Wir fahren gleich los und holen sie. Auch wenn wir ein Steh-Café – offiziell heißt es „Kaffeeschenke“ – betreiben, wissen wir: der/die ÖsterreicherIn trinkt Kaffee bevorzugt im Sitzen, nicht im Stehen.

Bezüglich der weiteren Möbel sind wir etwas unsicher: Soll der Stehtisch in der Auslage bleiben – so wie es einst Architekt Ernst Otto Hofmann vorgesehen hat? Oder stellen wir ihn lieber vor die „Brühstation“ und später ein paar Stühle dazu? Das böte mehr Platz. Wir schauen, was diese erste Öffnungsphase bringen wird und lassen den Tisch vorerst in der Auslage stehen. Damit können die Menschen direkt vorne am Fenster vorbeiziehende Passanten beobachten, während sie ihren Kaffee genießen.

Auch ein kleiner Kühlschrank hält Einzug in den Gastraum: Er steht bis heute auf dem Podest unter der Brühstation. Schließlich wollen die vielen Liter Milch für Cappuccino & Caffè Latte in Griffnähe gekühlt werden.

Matthias – Patricks Sohn – erklärt sich von Anfang an bereit, im Café mitzuarbeiten. So kann er sich für das Jus-Studium was dazuverdienen. Es gibt viel zu schleppen und zu schrauben.
Er packt überall an. Ein paar Hochstühle holen wir uns vom schwedischen Möbelriesen. Ja wir geben’s zu. Diese Stühle haben wir heute noch. Und wir lieben sie. Es ist Matthias zu verdanken, dass sie noch ihre Dienste leisten. Er hat sie ein in einigen Stunden mühevoller Schraubarbeit - gemeinsam mit mir – am Boden robbend zusammengesetzt und in späteren Jahren mit Winkeln verstärkt, damit sie „ewig“ halten.

Im Anschluss übernimmt er Dienste im Café. Das bedeutet:
Bestellungen aufnehmen, Kaffees zubereiten und servieren und vor allem: Kunden beim Kaffee- und Maschinen-Kauf bzw. deren Wartung zu beraten. Schließlich sind wir – auch wenn es oft nicht den Anschein hat – mehr Einzelhandel als Café. Wir leben hauptsächlich davon, dass Kunden Bohnen und ESE-Pads zum Mitnehmen kaufen. Von der Kaffee-Ausschank allein kann man nicht leben. Wir wundern uns, wie viele Cafés in der Stadt das schaffen. Es bleibt ein Rätsel. Denn Miete, Möbel, Personal, Zuschläge, Waren etc. wollen bezahlt werden. Die Einrichtung sowieso. Mit ein paar Kaffees am Tag lässt sich so etwas nicht finanzieren. Heute wissen wir: Wenn man Glück hat, trägt es sich gerade mal selbst. Das Ausschank-Geschäft ist „auf Kante genäht“ wie man so schön sagt.

Jakob O., ein Freund aus Matthias‘ Kindertagen, ist ebenfalls gleich mit von der Partie. Super! Das bedeutet für Patrick und mich: Wir können diese freigespielte Zeit nutzen, Kunden zu gewinnen und sie beliefern, mehr Lieferanten zu suchen, die verlässlich arbeiten, Bestellungen aufgeben, Paletten entgegennehmen und verstauen, Websites „bauen“, Social-Media-Kanäle starten und Bürokram erledigen.

Wir alle treffen ein Agreement: Jeder von uns macht einen Barista-Kurs. Zumindest der Anfänger-SCAE muss sein. Patrick hat ihn gleich zu Beginn seiner Selbständigkeit absolviert, das restliche Team nach und nach. Wenn künftig weitere Kollegen dazukommen – bekommen die von den bestehenden Team-Mitgliedern eine „strenge“ Einschulung. Streng im Sinne von ernsthaft – denn uns ist wichtig, dass wir hochwertige, trommelgeröstete Kaffees in guter Brüh-Qualität ausschenken. Blümchenkaffee oder Kaffeesuppe sind keine Option!

Wichtig ist uns auch: Man muss Kaffee nicht nur zubereiten, sondern auch erklären können. Abgesehen davon, dass es die Fähigkeit braucht, gleichzeitig Kaffee zu brühen und zu sprechen, muss man sich laufend über neueste Entwicklungen informieren und am Ball bleiben, um die Trends von echten Innovationen unterscheiden zu können. Wir nennen uns selbst „Coffee-Nerds“. Sind von innen heraus motiviert rauszufinden, was sich so tut in der Welt des Kaffees.

Wobei: Vergleicht man unsere „Coffee-Nerdiness“ mit den Geeks der globalen Coffee-Championship-Welt (Roasting Championship, Brewers Cup, Latte Art-, Aeropress Championship etc.), dann sind wir auf dieser Geek-Pyramide eher an den unteren Stufen angesiedelt. Natürlich bestätigen heute auch bei uns Ausnahmen die Regel: Insbesondere Matthias, Jakob G. & Janis haben Kaffee-, Brau- und Lebensmittelwissen, das andere vielleicht ihr ganzes Leben nicht erlernen bzw. sich nicht merken können 😉. Von der Motivation der drei profitiert das gesamte Team. Die stete Weiterbildung sorgt laufend für höchsten Anspruch in Sachen Kaffee-Geschmack. Ganz gemäß dem Motto „good is not enough if better is possible“ bzw. „das Bessere ist der Feind des Guten!“

Marketing Material
Zeitgleich mit den ersten Renovierungen beginnen wir, Info-Material zu erstellen. Fürs erste gibt es Flyer mit Übersichten zu den verfügbaren Kaffees, Post- und Visitenkarten. Grafikerin Lisbeth Schneider, die wir von früheren Jobs kennen, unterstützt uns von Beginn an mit vollem Tatendrang und Können. Sie macht das bis heute mit einer professionellen Grandezza, die ihresgleichen sucht.

Von simplen Tischaufstellern über die Barista-Kurs Broschüre und Roll-Ups für Events & Auslagen bis hin zu unserem verpackungstechnisch kompliziertesten Produkt – dem ESE-Pad-Adventkalender, der Profi-Faltkenntnisse verlangt – schüttelt Lisbeth Designs nur so aus dem Ärmel.

Wir lieben es, mit ihr zu arbeiten.
Sogar ihre Kids haben eine wunderbare Weihnachtskarte für uns gezeichnet – das Talent liegt also unumstritten in der Familie!

Swimming-Pool-Feeling

In dieser Phase merken wir auch: Der Boden, auf dem das Kaffeemaschinen-Podest sowie die Theke stehen, wird zu hart für längeres Stehen sein. Wir brauchen mittelfristig einen Belag, der die Gelenke der Diensthabenden schont. Dieses Vorhaben setzen wir auf unsere Sanierungs-TO-DO-Liste mit einer relativ hohen Priorität. Auch ist uns wichtig, dass der in die Jahre gekommene „Lack“ der Küche etwas appetitlicher wird. In einer Nacht- und Nebel-Aktion streichen wir die Küche in Sonnengelb. Der Farbe sind wir bis heute treu geblieben, denn der dunkle „Schlurf“ wie wir den Gang in die Küche auch nennen, ist damit nicht mehr ganz so trist. Gemeinsam mit den original grauen Vollholzmöbeln aus den 1950er-Jahren wirkt es jetzt richtig fidel. Auch der graue Estrichboden ist uns ein Dorn im Auge. Ich fahre zum Farbenspezialisten und kaufe dort eine Bodenfarbe. In Swimming-Pool-Blau. Wir lieben es! 😉

Im Bild oben links sieht man den ursprünglichen grau-schmutzigen Estrich, daneben die Swimming-Pool Atmosphäre. 2019 hat auch hier der gelenkschonende Belag Einzug gehalten. Nicht mehr ganz so mutig in der Farbwahl. Dafür aber „extrem strapazfähig“, wie man uns verspricht. Er hat das Versprechen bis heute gehalten.  

Die erste Lernkurve

In der Soft-Opening-Phase merken wir:
Guten SERVICE zu bieten, ist nicht so leicht, wie es in alteingesessenen Cafés aussieht.
Dort merkt man die Arbeiten im Hintergrund oft gar nicht, da sie extrem routiniert ablaufen. Beobachtet man doch, dann sieht man, dass der/die Barista den Siebträger in die Mühle und später lautlos in die Maschine einspannt, ein paar Knöpfe oder Hebel drückt und eventuell noch eine Süßigkeit aufs Teller zaubert und obendrauf einen kessen Spruch auf den Lippen hat. Alles in einem rasend schnellen Tempo - für den Anfänger! Wir lernen:

1. Entweder Kaffee zubereiten oder Reden 😉 Beides gleichzeitig können wir zu Beginn noch nicht. Dann wird der Kaffee nämlich nichts.

2. Gute Kaffee-Qualität unter Zeitdruck zuzubereiten (wenn Menschenschlangen warten). Das ist ein Thema für sich. Gefühlt hundert Augenpaare beobachten dich ungeduldig – schließlich will man nicht ewig auf Kaffee warten. Das einzige, das in solchen Situationen hilft, ist Durchatmen und eine alte Weisheit zelebrieren: Übung macht den Meister! Konzentration & Routine lautet das Leitmotiv.

3. Respekt! Erst wenn jemand selbst an der Maschine steht, gleichzeitig eine Kaffeeberatung durchführt und serviert, kann man einschätzen, was es bedeutet, diesen Job zu machen. Gut zeigt sich das bei Ferialpraktikanten, die wir ab und an beschäftigen: Ab dem Zeitpunkt der ersten Kaffeezubereitung vorm Kunden steigt deren Respekt gegenüber jedem Barista/Schankbeschäftigten enorm – sie sehen diese Menschen plötzlich in einem anderen Licht. Denn guter Kaffee bereitet sich nicht selbst auf Knopfdruck zu. Es braucht Konzentration, Können und die Liebe zum Produkt.

4. Fehler sind zum Lernen da: Alles, was in der Soft-Opening-Phase schiefläuft oder auftretende Fragen notieren wir und suchen nach Lösungen. Damit der spätere Echtbetrieb dann umso runder laufen kann. Das hat sich eigentlich bis heute nicht geändert. Läuft etwas nicht wunschgemäß, fehlt was, oder ist etwas zu reparieren, ändern wir das zügig.

5. Humor und offene Kommunikation hilft. Immer! Sprich mit deinen Kunden, wenn was Unvorhergesehenes passiert: Du findest die Ware auf die Schnelle nicht, musst ins andere Lager laufen oder die Kaffee-Zubereitung ist nicht gelungen und du musst es nochmal machen. Oder, oder, oder. Wenn man’s erklärt, stößt man auf Verständnis. Am schlimmsten ist, nichts zu sagen. Menschen wollen wissen, was passiert. Mit ein, zwei erklärenden Sätzen ist alles nicht so schlimm. Und man nimmt Druck raus. Meistens 😉

6. Mittelfristig benötigen wir mehr Teammitglieder, die schichtweise arbeiten. Jemanden guten zu finden, wird sicherlich nicht einfach. Das wissen wir von anderen Café-Betreibern. Wir schreiben uns
als TO-DO auf: Herumerzählen, dass wir echte Baristi oder wirklich Interessierte zum Anlernen suchen.

Bürogeschäft

Und so ganz „nebenbei“ läuft natürlich auch das ursprüngliche Geschäft – Büros mit Kaffees zu beliefern – weiter: www.beansandmachines.at. Neben all den Aktivitäten rund ums Kaffeegreissler-Café ist da ordentlich was zu tun.

Patrick hat inzwischen einen stattlichen Stock an interessierten Bürokunden aufgebaut. Parallel zu den Sanierungsarbeiten führt Patrick Maschinen- und Bohnen-Teststellungen durch - liefert also potenziellen Kunden Geräte und Bohnen für ein paar Tage zur Probe, berät und schreibt Angebote. Manche Kunden sind skeptisch. Sagen: „Sie gibt es ja erst so kurz auf dem Markt. Wenn Sie in einem Jahr noch existieren, dann kontaktieren Sie uns gerne wieder.“ Bumsti. Das ist natürlich eine Ansage, die man erst verdauen muss. Aber wir lassen uns nicht abschrecken. Wir gehen weiter fragen und anbieten. Lesen uns ein und lernen. Denn das Gute an der Kaffee-Materie:
Man kann sich rasch vieles aneignen. Schließlich ist Kaffeehandel nicht Rocket Science.
Zumindest sagen wir uns das als Mantra 😉

Auch stellen wir rasch fest: Wir sind wohl zu dieser Zeit einer der wenigen österreichischen Kaffeehändler, die man online findet. Durch die regelmäßigen Blog-Beiträge in unserem „Kaffee-Wiki[1] wächst die Website organisch und wir schaffen zügig ein schönes Ranking bei Google. Dort behandeln wir typische Kundenfragen und Themen, die in der Kaffeewelt besprochen werden.

Dann passiert etwas Interessantes: Nach einer Weile werden wir mehr und mehr online gefunden. So mancher Kooperations-Partner, der uns bei der ersten Anfrage weggeschickt hat, möchte nun doch in Kontakt treten und das eine oder andere Geschäft zusammen abwickeln. Soll noch mal einer sagen, dass Websites ein veraltetes Konzept sind. Uns helfen sie bis heute.

Tatsächlich ist es so, dass sich die beiden Ansätze (Café + Bürokaffee) gegenseitig befruchten:

·         Unsere Bürokunden wissen, dass man bei uns auch vor Ort trinken kann und wenn sie mal im vierten Bezirk sind, kommen sie gerne ins Café, um hier privat ihren Kaffee zu genießen und

·         Café-Kunden werden manchmal zu „Bürokunden“ – sprich, sie hören, dass wir auch Büros beliefern und probieren bzw. bestellen dann Kaffee für ihren Arbeitsplatz.

So oder so: Wir sind Feuer und Flamme und nehmen diese Angebote gerne an. Wenn „Kunde mit Auftrag droht“, sind wir begeistert zur Stelle! 

Fotodokumentation vom Denkmalamt - BDA

In dieser Zeit schickt das Denkmalamt eine Fotografin vorbei, um eine Fotodokumentation des Lokals zu erstellen. Es wird von der Fliese über die Uhr, der Handlauf der Tür hin zur Theke und dem nicht mehr funktionsfähigen asbestgedämmten Nachtspeicherofen alles genau festgehalten. Wir werden vom Amt nochmals darauf hingewiesen, dass wir keinesfalls in die gefliesten Wände bohren oder sonst etwas fix an der Mauer verankern sollen. Daran halten wir uns natürlich strikt. Bis heute sind alle hinzugefügten Möbel so standfest gebaut, dass sie nur an der Mauer stehen, kein Regal aber fixiert ist oder gar ein Möbel dafür hätte weichen müssen. Bilder & Urkunden kommen an die einzige Wand ohne Fliesen -> ins WC 😉

1] URL: https://www.beans-and-machines.at/kaffeeblog

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